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Beitrag vom 27.05.2010
Tandoori Love
Tatjana Zilg
Farbenfroh, delikat und mit viel chili-scharfem Humor zeigt sich die erste India-goes-Alpen-Komödie. Ein indischer Koch, der ein Filmteam begleitet, wird abtrünnig, als er sich in die …
… Kellnerin eines Dorf-Gasthauses verliebt. Diese schwankt zwischen intuitiver Zuneigung und Abwehr gegen den Eindringling in ihren Alltag.
Das Bollywood-Kino erfreut sich weltweit an wachsender Beliebtheit. Um so besser, dass sich das Genre nun auch vermehrt an westliche Drehorte begibt und sich die interkulturelle Begegnung als Thema vornimmt. Während sich Karan Johar in "My Name Is Khan" (ebenfalls mit deutschen Kinostart im Juni 2010) brisante soziopolitische Entwicklungen vorknöpft, konzentriert sich "Tandoori Love" auf die zwischenmenschlichen Aspekte von Liebesleiden und offenbart so die sympathischen und nicht ganz so sympathischen Seiten der Charaktere aller Beteiligten.
Den ZuschauerInnen wird schnell klar, dass es sich um eine Dreiecksgeschichte handelt. Sonja (Lavinia Wilson) und Markus (Martin Schick) sind gerade dabei, eine gemeinsame Zukunft zu beginnen. Ihr Haus mit wunderschönem Alpenblick ist fast fertig gebaut und mit viel Vorfreude planen sie die Inneneinrichtung. Noch wohnt Sonja in ihrer Singlewohnung und Markus bei seiner Mutter, die ihm auch bei seiner Tätigkeit als Wirt in dem im Familienbesitz befindlichen Gasthaus "Hirschen" argwöhnisch über die Schulter lugt. Der große Schock naht in der Person des indischen Kochs Rajah (Vijay Raaz), der eigentlich bei einem Filmteam angestellt ist, das in der malerischen Berglandschaft ein Bollywood-Spektakel dreht. Seine wichtigste Aufgabe besteht darin, die zickige Hauptdarstellerin Priya (Shweta Agarwal) mit seinen kulinarischen Meisterkünsten bei Laune zu halten. Kein Wunder, dass er die Gelegenheit nutzt und sich eine Auszeit nimmt, als er sich bei einem Einkauf im Supermarkt Hals über Kopf in Sonja verliebt. Er überzeugt Markus mit seinen fernöstlichen Delikatessen davon, ihn als Chefkoch des "Hirschen" einzustellen und zum Ärger seiner Mutter den alteingesessen Hausmannskost-Koch zu ersetzen.
Die Handlung nimmt einige amüsante Wendungen, als sich der Produzent und der Regisseur auf die Fährte des verschollenen Teammitglieds machen. Rajah beglückt mittlerweile die Urbevölkerung des Dorfes mit indischer Kost und wirbt um die Liebe von Sonja. Dass er dabei einfach übersieht, dass seine Angebetete bereits mit seinem neuen, sympathischen Jungchef ein Paar bildet, mindert die Glaubwürdigkeit der Handlung etwas.
Dennoch bleibt der Film in jedem Moment unterhaltsam und ein Genuss für alle Sinne. Denn wie es sich für einen europäischen Bollywood-Zögling gehört, spielen Musik und Tanz weitere Hauptrollen. In ungewohnten Settings werden turbulente Tanzszenen choreographiert, die der Bollywood-Tradition folgend die wichtigsten Ereignisse emotional übersteigern und keinen Zweifel an den jeweiligen Gefühlslagen der ProtagonistInnen lassen. Dieses Menü wird als I-Tüpfelchen ergänzt von der prachtvoll inszenierten indischen Kochkunst und ihren Köstlichkeiten, die immer wieder aufs Neue das Wasser im Munde zerlaufen lassen. Zunächst sticht hier natürlich der Kontrast zur deftigen Landeskost prägnant hervor. Kurz vor dem Showdown des Beziehungslabyrinths erfährt aber auch die konventionelle "Hirschen"-Kost ihre Würdigung durch die indische Filmkönigin.
Bei der gekonnten Verflechtung von Musik, Tanz und Essgelüsten erstaunt es, dass ein gebürtiger Schweizer hinter der Regie steckt und kein indischer Bollywood-Zauberer. Regisseur Oliver Paulus studierte Regie und Drehbuch an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. 1995 wurde er mit dem "Max Ophüls Preis", 1997 mit dem "Werkjahrespreis" und 2008 mit einem "Anerkennungspreis für Filmschaffen" des Kantons Solothurn geehrt.
AVIVA-Tipp: "Tandoori Love" besticht durch eine einnehmende Mischung aus Realitätsnähe und Märchenstimmung. Geschickt wird die ausdrucksstarke Stilistik des Bollywood-Kinos mit dem Witz und Esprit einer modernen europäischen Komödie vereint. Wer vom "Karneval der Kulturen" nicht genug bekommen hat, erhält so die Chance zu einem delikaten Nachschlag im Kino. Aber nicht vergessen: Für die Zeit nach dem Kinoabend einen Tisch beim Inder reservieren, denn nach dem visuellen Augenschmaus möchte frau die fernöstlichen Speisen sicherlich gern selbst auf der Zunge zergehen lassen.
Tandoori Love
Schweiz, Deutschland, Österreich 2008
Regie: Oliver Paulus
Drehbuch: Oliver Paulus, Stefan Hillebrand
DarstellerInnen: Lavinia Wilson, Martin Schick, Vijay Raaz, Shweta Agarwal, Verena Zimmermann
Lauflänge: 92 Minuten
Verleih: Arsenal
Kinostart: 27.05.2010
FSK ab 6 Jahre
Tandoori Love im Netz: www.arsenalfilm.de/tandoori-love